Enya

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Ich bin wie ich bin



Wir sind in der Hundeschule. Auf dem Platz sind vier Mensch-Hund-Teams im Einsatz. Darunter ist auch Ruth mit ihrem Mischlingsrüden Django. Django ist 5 Jahre alt, mittel gross und hat im Hundesport schon so einige Erfahrungen sammeln dürfen. Er kennt sich aus in Agility, aber auch in der Fährtenarbeit. Beides macht er gut und auch gerne. Besonders wichtig ist ihm aber beides nicht. Django liebt seine Familie und vor allem sein Frauchen, mit dem er schon so viel erleben durfte. Er liebt sein Frauchen und würde eigentlich alles für sie tun, aber heute will einfach überhaupt nichts funktionieren. Django versteht die Welt nicht mehr. Er hört seinem Frauchen zwar zu, wie sie ihm mit hoher, fast schon kindlicher Stimme Befehle erteilt. Sie hat sogar ein Lächeln im Gesicht, aber Django weiss, das ist nicht echt. Niemand auf dem Platz ahnt, was Ruth beschäftig. Ihr Vater wurde am Vortag ins Spital gebracht. Er hatte einen Herzinfarkt und noch immer ist nicht klar, ob er die Krankheit vollständig überwinden wird. Ruth ist in Sorge um ihn. Jetzt steht sie aber mit Django auf dem Platz und möchte ihm eine Freude machen. Sie bemüht sich sehr, fröhlich zu sein und ihrem Hund eine schöne Ausbildungs-Stunde zu schenken. Django weiss jedoch, dass es Frauchen nicht gut geht. Er weiss es, weil er sie wirklich gut kennt, weil er schon einige Jahre Gelegenheit hatte, sein Frauchen genauestens zu beobachten. Er sieht wohl das Lächeln in Ruth’s Gesicht, aber er sieht auch die unterdrückten Tränen. Er hört die Unsicherheit und die Traurigkeit in Frauchens Stimme. Frauchen versucht also, ihm etwas vorzumachen. Django versteht die Welt nicht mehr. Er möchte gerne das Richtige tun und für sein Frauchen das Beste geben, aber unter diesen Umständen wird das wohl einfach nicht gehen.

Authentizität ist das Geheimnis. Wäre Ruth ehrlich gegenüber sich selbst gewesen, wäre sie wohl gar nicht auf den Hundeplatz gegangen. Sie konnte sich nicht konzentrieren, weil sie in grosser Sorge um ihren Vater war. Django wusste ganz genau, dass etwas nicht stimmte. Weil sein Frauchen aber nicht ehrlich ihm und sich selbst gegenüber war, wusste er nicht, was er tun sollte.

Ehrlich und echt – das ist das einzige was unsere Hunde wirklich verstehen. Nur wenn Mimik und das gesprochene Wort übereinstimmen, weiss der Hund woran er ist und was Sache ist.

Wenn Sie also vielleicht mal einen schlechten Tag haben, versuchen Sie erst gar nicht, ihrem Hund klarmachen zu wollen, Sie seien gut gelaunt und fröhlich. Ob unsere Hunde tatsächlich direkt in unser Herz schauen können, oder ob sie sich lediglich auf äussere Ungereimtheiten verlassen, weiss ich nicht. Eines weiss ich jedoch sehr genau: unsere Hunde kennen uns, wie kein anderes Lebewesen auf der Welt. Sie haben es verdient, dass wir ihnen gegenüber ehrlich und authentisch bleiben. Beide – Mensch und Hund – fühlen sich besser dabei und die Situation ist viel entspannter.

Also, ich bin wie ich bin und ich brauche niemandem – vor allem jedoch nicht meinem Hund - etwas vor zu machen. Stimmungen gehören zum Leben dazu – auch das gilt für beide – Menschen UND Hunde!