Enya

Freitag, 20. März 2015

Liebe ich meinen Hund zu sehr?

Irgendwie klingt diese Frage sonderbar. Die erste Reaktion jedes einzelnen ist selbstverständlich „NEIN!“, Hunde kann man gar nicht genug lieben!“. Man kann nicht zu sehr lieben, das geht per Definition nicht. Was ist jedoch, wenn das was wir so salopp als „Liebe“ bezeichnen, in Wirklichkeit etwas ganz anderes ist?
 
Was genau ist denn Liebe überhaupt? Nach Duden und Wikipedia handelt es sich dabei in erster Linie um ein ganz besonders starkes Gefühl, um eine innere Haltung tiefer Verbundenheit. Sie ist die Bezeichnung stärkster Zuneigung und Wertschätzung. Ein Gefühl also, etwas was in unserem Kopf und in unserem Herzen stattfindet. Das Gefühl der Liebe ist das Grösste und Schönste überhaupt.
 
Die Liebe veranlasst uns, für das geliebte Wesen ganz besondere Anstrengungen zu unternehmen. Wenn ich für meinen Hund also z.B. etwas besonders Leckeres zu Essen zubereite, geschieht dies ganz sicher aus einem Gefühl tiefer Liebe heraus. Das Essen an sich hat jedoch mit Liebe nichts zu tun. Wenn mein Hund das Essen dann nicht essen möchte, tut er dies nicht, weil er mich nicht liebt, oder weil er meine Bemühungen nicht zu schätzen weiss. Er mag es vielleicht nicht, oder er hat ganz einfach keinen Hunger. Ich kann aus seinem Verhalten also nicht auf seine Liebe oder Wertschätzung mir gegenüber schlussfolgern, das wäre total unfair!
 
Ganz ähnlich verhält es sich auch bei der Erziehung meines Hundes. Ich liebe meinen Hund, also möchte ich ihm eine gewaltfreie und artgerechte Erziehung angedeihen lassen. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine Grenzen gibt. Mein Hund braucht trotz - oder vielleicht gerade wegen - meiner grossen Liebe zu ihm, eine sichere Führung. Er braucht Grenzen und Regeln damit er sich in unserer Welt gefahrlos und sicher bewegen kann.
 
Ein Widerspruch?? Nein, keines Falls! Wer sich mit Hunden beschäftigt weiss, dass Hunde unter ihresgleichen sehr klare soziale Regeln befolgen. Es gibt Hierarchien, und soziale Gefüge die jeder Hund kennt, versteht und problemlos akzeptiert. Wenn ein Hund zu seinem Menschen kommt erwartet er, dass dieser ihm zeigt, was seine Aufgabe in ihrem gemeinsamen Leben ist. Er will Hilfe und Führung, er will lernen und verstehen und es ist die Aufgabe des Menschen, ihm das alles zu zeigen. Wenn ich nun also meinen Hund - einfach „weil ich ihn so sehr liebe“ -  nicht führe und ihn damit mehr oder weniger sich selbst überlasse, hat das mit Liebe absolut nichts zu tun. Im Gegenteil! Ich nehme ihm damit die Möglichkeit, mit allen Lebewesen die ihm in seinem Leben begegnen, sicher und fröhlich zu interagieren. Ganz ungewollt mache ich ihn damit zu einem Aussenseiter, den keiner so richtig mag und mit dem man lieber nichts zu tun hat.
 
Wenn ich also das nächste Mal etwas „aus Liebe“ für meinen Hund tue, ihm Dinge erlaube die ich in Wirklichkeit lieber nicht möchte, wenn ich das nächste Mal einfach wegschaue weil er jeden der vorbei geht anknurrt, wenn er zum hundertsten Mal nicht kommt wenn ich ihn rufe, dann müsste mir klar sein, dass das mit Liebe nichts zu tun hat. Liebe ist ein Gefühl in meinem Herzen, in meinem Kopf, aber niemals in den Dingen die ich für ihn tue - oder eben nicht tue.