Vertrauen bildende Massnahmen
Also gut. Ich bin Hundetrainerin. Ich sollte doch eigentlich wissen
wie es geht. Trotzdem ist natürlich noch kein Meister vom Himmel
gefallen und darum bin ich an Weiterbildung in jeglicher Form
immer sehr interessiert. Zu diesem Zweck habe ich mir kürzlich am
Kiosk ein neues Heft gekauft. Der Titel eines Beitrages hat mich ganz
besonders interessiert, nämlich «Vertrauen bildende
Massnahmen». Kann man das denn einfach so lernen? Muss man da eine
bestimmte Übung machen und dann klappt das einfach?
Ich war sehr gespannt und hab den Artikel geradezu verschlungen. Da
werden viele tolle Übungen vorgestellt, die zur Bildung von
Selbstvertrauen beim Hund beitragen und ihn zu einem souveränen
Begleiter machen können. Es wird auch auf die verschiedenen Arten
von Vertrauen hingewiesen, wie das Vertrauen vom Hund zu seinem Menschen
und dem Selbstvertrauen eines Hundes. Das war alles sehr
schlüssig und aufschlussreich, doch leider kam der dritte Teil des
Vertrauens zu keinem Zeitpunkt zur Sprache – nämlich dem Vertrauen vom
Menschen zum Hund. Hat das denn keine Relevanz?
Vertrauen ist wohl die sensibelste und wertvollste Sache auf der
Welt die man sich vorstellen kann. Man kann es nicht kaufen oder
«bilden». Man bekommt es geschenkt, wenn man sich dafür als
würdig erwiesen hat. Einem Hund Selbstvertrauen zu geben ist
einfach. Allerdings nur dann, wenn ich als Hundeführerin souverän und
sicher auftreten und meinem Hund glaubwürdig erklären kann, dass
es sich für ihn lohnt. Was ist denn, wenn ich einen selbstbewussten
Hund habe, selber aber eher ängstlich und zurückhaltend bin? Klappt das
dann auch? Na ja, das ist wohl Ansichtssache. Tatsache
ist jedoch, dass ein eher ängstlicher Mensch in schwierigen
Situationen gerne die Entscheidungen dem Hund überlässt. Stichwort: «die
regeln das schon unter sich». Das hat mit Vertrauen aber
leider gar nichts zu tun. Das einzige was mein Hund dabei lernt ist,
dass sein Mensch, wenn es wirklich brenzlig wird, nichts zu melden hat.
Aus der Sicht des Hundes muss diese Situation
unwahrscheinlich nervenaufreibend sein. Immerhin möchte er sein
eigenes Leben und auch seinen Menschen behalten und wird unter Umständen
alles dafür tun, auch wenn er dabei die falschen
Entscheidungen trifft. Diese Haltung ist also keinesfalls eine
Lösung, weder für den Menschen noch für den Hund.
Vertrauen ist also keine Einbahnstrasse! Es gibt ein stabiles
Verhältnis, wenn Vertrauen nicht gegenseitig vorhanden ist. Vertrauen
ist auch eine Angelegenheit von Wissen. Viele Menschen wissen
viel zu wenig über ihren Hund, über seine Bedürfnisse, über sein
Verhalten, über seine Gefühle – halt wie er tickt. Sie bemühen sich
nicht, ihren Hund lesen oder verstehen zu lernen. Vielleicht,
weil sie selber genug Probleme haben. Wie kann ich dann aber davon
ausgehen, dass mein Hund irgendwelche Probleme löst, wenn ich ihm nicht
mal die Welt erklären und zeigen kann?
Mir als Hundetrainerin machen solche Situationen am meisten Angst.
Menschen glauben einen Hund haben zu müssen als Seelentröster, als
Schmusepartner, als Spaziergangbegleitung, als Bettwärmer,
aus Mitleid (Strassenhunde), oder einfach als Statussymbol. Hunde
sind in fast allen ihren Sinnesleistungen denen des Menschen um
Lichtjahre überlegen. Ist es ein Hund dann nicht wert, sich mal
mit seinen Möglichkeiten und seinem Charakter und seinen Zielen
auseinander zu setzen? Wäre es nicht angebracht, sich z.B. in einer
Hundeschule mal über das Tier Hund zu informieren und zu
erfahren, was er alles kann und braucht?
Ich denke, wenn wir über Vertrauen reden, wäre es zumindest
angebracht, mal darüber nachzudenken, ob ich es als Hundeführerin wert
bin, dass mein Hund MIR vertraut. Für mich persönlich ist das
auf jeden Fall das Wichtigste. Erst dann ist mein Weg auch sein Weg
und aus uns beiden wird ein richtiges WIR!