Enya

Montag, 15. Oktober 2018

 Vertrauen bildende Massnahmen

Also gut. Ich bin Hundetrainerin. Ich sollte doch eigentlich wissen wie es geht. Trotzdem ist natürlich noch kein Meister vom Himmel gefallen und darum bin ich an Weiterbildung in jeglicher Form immer sehr interessiert. Zu diesem Zweck habe ich mir kürzlich am Kiosk ein neues Heft gekauft. Der Titel eines Beitrages hat mich ganz besonders interessiert, nämlich «Vertrauen bildende Massnahmen». Kann man das denn einfach so lernen? Muss man da eine bestimmte Übung machen und dann klappt das einfach?
 
Ich war sehr gespannt und hab den Artikel geradezu verschlungen. Da werden viele tolle Übungen vorgestellt, die zur Bildung von Selbstvertrauen beim Hund beitragen und ihn zu einem souveränen Begleiter machen können. Es wird auch auf die verschiedenen Arten von Vertrauen hingewiesen, wie das Vertrauen vom Hund zu seinem Menschen und dem Selbstvertrauen eines Hundes. Das war alles sehr schlüssig und aufschlussreich, doch leider kam der dritte Teil des Vertrauens zu keinem Zeitpunkt zur Sprache – nämlich dem Vertrauen vom Menschen zum Hund. Hat das denn keine Relevanz?
 
Vertrauen ist wohl die sensibelste und wertvollste Sache auf der Welt die man sich vorstellen kann. Man kann es nicht kaufen oder «bilden». Man bekommt es geschenkt, wenn man sich dafür als würdig erwiesen hat. Einem Hund Selbstvertrauen zu geben ist einfach. Allerdings nur dann, wenn ich als Hundeführerin souverän und sicher auftreten und meinem Hund glaubwürdig erklären kann, dass es sich für ihn lohnt. Was ist denn, wenn ich einen selbstbewussten Hund habe, selber aber eher ängstlich und zurückhaltend bin? Klappt das dann auch? Na ja, das ist wohl Ansichtssache. Tatsache ist jedoch, dass ein eher ängstlicher Mensch in schwierigen Situationen gerne die Entscheidungen dem Hund überlässt. Stichwort: «die regeln das schon unter sich». Das hat mit Vertrauen aber leider gar nichts zu tun. Das einzige was mein Hund dabei lernt ist, dass sein Mensch, wenn es wirklich brenzlig wird, nichts zu melden hat. Aus der Sicht des Hundes muss diese Situation unwahrscheinlich nervenaufreibend sein. Immerhin möchte er sein eigenes Leben und auch seinen Menschen behalten und wird unter Umständen alles dafür tun, auch wenn er dabei die falschen Entscheidungen trifft. Diese Haltung ist also keinesfalls eine Lösung, weder für den Menschen noch für den Hund.
 
Vertrauen ist also keine Einbahnstrasse! Es gibt ein stabiles Verhältnis, wenn Vertrauen nicht gegenseitig vorhanden ist. Vertrauen ist auch eine Angelegenheit von Wissen. Viele Menschen wissen viel zu wenig über ihren Hund, über seine Bedürfnisse, über sein Verhalten, über seine Gefühle – halt wie er tickt. Sie bemühen sich nicht, ihren Hund lesen oder verstehen zu lernen. Vielleicht, weil sie selber genug Probleme haben. Wie kann ich dann aber davon ausgehen, dass mein Hund irgendwelche Probleme löst, wenn ich ihm nicht mal die Welt erklären und zeigen kann?
 
Mir als Hundetrainerin machen solche Situationen am meisten Angst. Menschen glauben einen Hund haben zu müssen als Seelentröster, als Schmusepartner, als Spaziergangbegleitung, als Bettwärmer, aus Mitleid (Strassenhunde), oder einfach als Statussymbol. Hunde sind in fast allen ihren Sinnesleistungen denen des Menschen um Lichtjahre überlegen. Ist es ein Hund dann nicht wert, sich mal mit seinen Möglichkeiten und seinem Charakter und seinen Zielen auseinander zu setzen? Wäre es nicht angebracht, sich z.B. in einer Hundeschule mal über das Tier Hund zu informieren und zu erfahren, was er alles kann und braucht?
 
Ich denke, wenn wir über Vertrauen reden, wäre es zumindest angebracht, mal darüber nachzudenken, ob ich es als Hundeführerin wert bin, dass mein Hund MIR vertraut. Für mich persönlich ist das auf jeden Fall das Wichtigste. Erst dann ist mein Weg auch sein Weg und aus uns beiden wird ein richtiges WIR!